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Talk – Gründerland Schweiz mit Andri Silberschmidt

11.03.2025
Felix Niederer
Zu Gast: Andri Silberschmidt, Nationalrat und Unternehmer

Willkommen zu einer weiteren Folge in unserer Podcastserie zum Thema «Gründerland Schweiz». In dieser spannenden Reihe beleuchten wir die vielfältigen Facetten der Schweizer Gründerszene und sprechen mit prägenden Persönlichkeiten.

Andri Silberschmidt verbindet Politik und Unternehmertum. Er ist Nationalrat und hat das Unternehmen kaisin gegründet. Seine politischen Schwerpunkte reichen von Vorsorge- und Digitalisierungsfragen bis hin zur Förderung von Unternehmertum und Bildung.

Andri, du bist seit 2019 Nationalrat und seit 2021 Vizepräsident der FDP Schweiz. Aber auch als Unternehmer hast du mit kaisin eine spannende Geschichte zu erzählen. Was macht kaisin?

Kaisin ist ein Unternehmen, das asiatisch inspirierte Bowls anbietet. Angefangen haben wir vor acht Jahren mit Poké Bowls – gesunde Schüsseln mit Reis und rohem Fisch. Mittlerweile ist unser Angebot viel breiter und umfasst auch Rindfleisch, Huhn und Tofu. Wir verkaufen unsere Bowls an elf Standorten, hauptsächlich in Zürich, aber auch in Zug und Basel. Es macht sehr viel Spass. Wir haben kaisin ohne externe Finanzierung gegründet und sind von anfangs sechs Gründern auf mittlerweile etwa 120 Mitarbeiter angewachsen.

Wie bist du auf die Idee gekommen?

Die Idee kam mir im Urlaub in Bangkok. In einem Einkaufszentrum ass ich einen Sushi-Burrito, ein übergrosses Sushi, das wie ein Burrito aussieht. Dort entdeckte ich auch die Bowls und dachte, es wäre interessant, dieses Konzept in die Schweiz zu bringen. 2017 war das hier noch nicht verbreitet. Als Banker hatte ich damals keine Ahnung von Gastronomie und ich kann auch nicht gut kochen. Die Voraussetzungen hätten also nicht schlechter sein können. Ich habe dann einen Kollegen von der FDP, Markus Segmüller, angerufen, der unter anderem das Loft 5 in Zürich betreibt, und ihm vorgeschlagen, das Konzept umzusetzen. Er lehnte ab, stellte uns aber einen Raum zur Verfügung. So habe ich mit weiteren Kollegen ein Pop-up gestartet. Mit den 20'000 Franken Gewinn aus dem Pop-up haben wir eine GmbH gegründet, 2018 den ersten Laden eröffnet und sind seitdem stetig gewachsen.

Pop-up bedeutet, dass die Standorte wechseln?

Genau, aber manchmal bleiben sie auch. Unser erstes Pop-up in der Europaallee war für vier Monate geplant, um das Konzept zu testen. Mit 20'000 Franken Startkapital ist es als Restaurant schwierig, erfolgreich zu sein. Deshalb haben wir uns entschieden, in bestehende Cafés und Bars zu gehen und mittags unsere Bowls zu verkaufen. Das war dann kein Pop-up mehr, sondern eher ein Shop-in-Shop Konzept. Mittlerweile haben wir eigene Läden, deren Innenausbau schnell 400'000-500'000 Franken kostet. Mit dem Shop-in-Shop Konzept konnten wir wachsen und Kapital aufbauen, indem wir die Gewinne reinvestierten. Inzwischen bekommen wir auch Kredite von der Bank, um das Wachstum zu finanzieren.

Was war die grösste Herausforderung auf dem Weg zum Erfolg mit kaisin?

Covid war ein Wendepunkt. Zum Glück waren wir bereits online präsent und konnten den Umsatzverlust im stationären Bereich kompensieren. Allerdings ist die Marge online viel geringer, da man etwa ein Viertel des Umsatzes an Plattformen wie Uber Eats und Just Eat abgibt. Covid war also eine schwierige Zeit. Wir konnten zwar wachsen, haben aber Verluste gemacht, da wir uns mit Investitionen übernommen hatten. Unsere Liquiditätsplanung war nicht optimal. Das gehört wohl zu jedem Start-up dazu. Wir standen aber nie kurz vor dem Konkurs. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, die richtigen Standorte zu finden. In Zürich kennen wir uns aus, aber in anderen Städten ist es schwierig einzuschätzen, wo ein Standort funktionieren könnte. Wir können uns nicht viele Fehler erlauben, denn bei einem 10-Jahres-Pachtvertrag und hohen Anfangsinvestitionen ist es schwierig, aus einem schlecht laufenden Standort wieder herauszukommen.

Das heisst, ihr seid durch Bootstrapping gewachsen?

Genau, bis heute. Wir haben immer unsere eigenen Gewinne reinvestiert. Erst für den ersten grossen Laden am Talacker haben wir einen Bankkredit aufgenommen. Das machen wir jetzt natürlich verstärkt. Wir versuchen auch, die Eigentümer der Immobilien zur Beteiligung zu bewegen, um noch schneller wachsen zu können.

Steht ihr durch solche 10-Jahres-Mietverträge und den grossen Investitionen nicht unter finanziellem Druck?

Ja, aber ich glaube, das ist in gewisser Weise auch gesund. Am Anfang haben wir primär viel Zeit investiert, aber wenn das Unternehmen gescheitert wäre, hätten wir unsere Existenzgrundlage nicht verloren. Das ist jetzt anders. Früher hatten wir mehr Freiheit und konnten uns Fehler erlauben. Jetzt müssen wir jeden Monat sicherstellen, dass wir auf Kurs sind und am Ende des Jahres ein EBITDA erwirtschaften, um die Schulden zurückzuzahlen. Ich kann aber gut schlafen, weil wir im Moment im Budget liegen. Wir fahren keine unglaublichen Margen ein, das ist in der Gastronomie normal. Wir haben in den letzten sieben Jahren gelernt gut zu budgetieren und das Budget dann auch einzuhalten.

Würdest du es wieder tun?

Ja, natürlich, sofort. Es ist ein Geschenk, dass ich diese Idee hatte und sie umsetzen konnte. Unternehmertum fand ich schon immer spannend. Mit 17 dachte ich, ich gehe in die Politik. Wenn ich damals schon eine zündende Geschäftsidee gehabt hätte, wäre ich vielleicht nie in die Politik gegangen. Ich wollte immer etwas bewegen. Die Politik kam zuerst und dann, vier Jahre später, kaisin. Es ist eine tolle Erfahrung, als Unternehmer zu arbeiten.

Was braucht man, um diesen Weg zu gehen und das Risiko als Unternehmer einzugehen?

Es ist wichtig, die Idee in kleinem Rahmen zu testen, bevor man seinen Job kündigt. Ich würde die Idee mit Freunden besprechen, sie ausarbeiten und dann ein MVP, ein Minimum Viable Product, erstellen und auf den Markt bringen. Einer unserer Erfolgsfaktoren ist, dass wir uns als Gründerteam gut ergänzt haben. Wir sind sehr unterschiedlich, aber da wir auch Freunde sind, haben wir eine gemeinsame Basis.

Man könnte jetzt skeptisch sagen: In der Schweiz gibt es schon für alles ein Unternehmen. Brauchen wir noch mehr Unternehmer, die das Risiko eingehen? Was ist ihr wirtschaftlicher Nutzen?

In den meisten Fällen erfindet man das Rad nicht neu, wenn man ein Unternehmen gründet. Aber wenn man etwas qualitativ besser, effizienter oder effektiver macht, hat man eine Chance im Wettbewerb zu bestehen. Wertschöpfung geht von Menschen aus, die unternehmerisch tätig sind. Man muss nicht unbedingt ein Unternehmensgründer sein. Man kann auch in einem Unternehmen oder im Staat unternehmerisch denken und handeln. Es gibt viele Studien, zum Beispiel das Buch «The Power of Creative Destruction», die zeigen, dass Länder und Regionen, die sich auf Innovation konzentrieren, mehr Arbeitsplätze schaffen und die Menschen besser bezahlt werden. Letztlich profitieren alle von einer höheren Wertschöpfung.

Was kann man politisch besser machen, was die Rahmenbedingungen betrifft?

Ich versuche, es auf drei Themen herunterzubrechen: Mitarbeiter, Kapital und Kunden. Das sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren eines Unternehmens.

Fangen wir mit den Mitarbeitern an. Wir haben tolle Universitäten, Fachhochschulen und eine hervorragende Berufsausbildung. Wir sind aber auch darauf angewiesen, dass Menschen aus dem Ausland in der Schweiz arbeiten können. Das betrifft die Personenfreizügigkeit, aber auch Menschen von ausserhalb der EU mit einer guten Ausbildung, die sie vielleicht sogar in der Schweiz abgeschlossen haben. Es ist unsinnig, dass wir das Master- und Doktoratsstudium von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz mitfinanzieren und ihnen dann nicht die Möglichkeit geben, hier zu arbeiten. Vier oder fünf Jahre an der ETH oder Universität kosten den Steuerzahler viel Geld. Es ist clever, dass die Steuerzahler das mitfinanzieren, aber dumm, dass man dann die Rendite nicht mitnimmt. Wenn die Person hier arbeiten würde, würde sie hohe Steuern zahlen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Drittstaatenquote, vor allem für Leute, die schon in der Schweiz sind, eine Erleichterung bringt. Generell müssen wir das Arbeitskräftepotenzial in der Schweiz besser nutzen. Viele Menschen haben wenig Anreiz zu arbeiten, auch aus steuerlichen Gründen. Ich denke da an die Individualbesteuerung oder die Situation von Verheirateten, die anfangen zu rechnen, ob es sich lohnt, das Arbeitspensum zu erhöhen, wenn man dann viel mehr Steuern zahlen muss.

Der zweite Punkt ist das Kapital. Davon haben wir in der Schweiz viel. Es gibt immer wieder Stimmen, die sagen, dass die Pensionskassen immer mehr Geld haben. Ich finde das grossartig. Es ist das Geld der Leute, das investiert wird. Ich würde mir wünschen, dass mehr in illiquide Anlageklassen fliesst und bin dagegen, dass Politiker diktieren, wie das Geld zu verwalten ist. Vielleicht könnten wir das Engagement in Immobilien um fünf Prozent reduzieren und mehr in Infrastruktur, privates Beteiligungskapital und Risikokapital investieren.

Ein weiteres Problem ist, dass die meisten Fonds leider in Luxemburg oder Liechtenstein aufgelegt werden. Wir haben die Abstimmung in der Schweiz wegen der Quellensteuer und der Emissionsabgabe verloren. Das hat dem Finanzplatz Schweiz geschadet. Wir haben sehr viel Geld in der Schweiz, aber es landet immer wieder in ausländischen Fonds.

Und dann ist da noch der Markt. Es ist schwierig, weil wir in der Schweiz so viele verschiedene Sprachen sprechen. Wir haben einen kleinen B2C-Markt, der auf drei oder vier Sprachen verteilt ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit allen Ländern gute Abkommen haben, in erster Linie mit der EU, aber natürlich auch mit Indien und den USA.

Du hast vorhin gesagt, die Pensionskassen sollten mehr Flexibilität haben, aber der Staat sollte ihnen nicht vorschreiben, was sie zu tun haben.

Ich habe einmal einen Versuch gestartet, die Anlagerichtlinien für die Pensionskassen zu modernisieren. Er war im Nationalrat erfolgreich, ist aber leider im Ständerat gescheitert. Man sagt immer noch, maximal sind so und so viele Aktien erlaubt, ich weiss nicht mehr genau, sind es 50 Prozent oder 30 Prozent? Für Obligationen gibt es keine Obergrenze. Ich sage immer, wenn man eine Obligation von einer Ölplattform kauft, ist sie vielleicht riskanter als eine Swisscom-Aktie. Die Idee, in der Verordnung eine Obergrenze für die Anlageklassen festzulegen, ist also falsch. Wir müssen risikobasierter vorgehen.

Deshalb appelliere ich an die Stiftungsräte der jeweiligen Pensionskassen, sich das genau anzuschauen. Zum Gesetz: Man kann sogenannte Erweiterungen machen, aber dann muss man wissen, was man tut, und dann braucht man Profis. Wenn man das Gesetz liest, das die Pensionskassen regelt, also das BVG und die BVV 2, dann sieht man den historischen Hintergrund. Vor 100 Jahren war die Ausgangslage noch eine andere. Damals gab es viele Pensionskassen, die von einem Unternehmer für seine eigenen Mitarbeiter gegründet wurden. Sie waren keine Vermögensverwalter. Damals musste man Ihnen sehr einfache und klare Richtlinien vorgeben. Bei den Pensionskassen, in die ich Einblick hatte, habe ich gesehen, dass man nicht gerne abweicht und die Abweichungen begründet. Der emotionale Anker wird immer noch durch diese Bandbreiten gesetzt. Ich glaube nicht, dass dies das dringendste Problem ist, das wir haben, aber es ist ein wichtiges Problem.

Eines deiner Spezialgebiete ist die Digitalisierung, aber auch die Altersvorsorge. Du schreibst auf deiner Website, dass es dir wichtig ist, dass die Finanzierung unserer Sozialsysteme in der Schweiz nachhaltig gestaltet wird. Die wichtigsten Sozialwerke sind AHV, IV und natürlich die Pensionskassen. Ist die Finanzierung der AHV solide?

Nein, das ist nicht der Fall. Leider ist es heute auch schlimmer, als wenn wir vor einem Jahr miteinander gesprochen hätten. Wir müssen uns eingestehen: Wir haben in diesem Jahr alle Abstimmungen im Bereich der Renten verloren. Was ich also vertrete, entspricht leider nicht der Mehrheitsmeinung in der Schweizer Bevölkerung. Wir haben grosse ungedeckte Versprechen in der AHV. Die 13. AHV-Rente wird ausbezahlt werden, das war der Volksentscheid. Aber wir haben bei der AHV noch enorm viele Hausaufgaben zu machen: Die Baustellen sind mehr und grösser denn je. Wir haben jetzt die verschiedenen Projekte: Die Auszahlung der 13. AHV-Rente, die Finanzierung der 13. AHV-Rente, die Revision der Witwenrenten und die Pensionskasse für Verheiratete. Es sind vier Projekte im Bereich der Altersvorsorge, die parallel laufen und es gibt keine Gesamtkoordination. Das finde ich fahrlässig. Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundesrat das alles zusammenführt und sagt, jetzt machen wir eine Gesamtbeurteilung, ein Paket, das wahrscheinlich mit Steuererhöhungen verbunden sein wird, weil wir nicht drum herumkommen. Obwohl ich immer strikt gegen Steuererhöhungen bin. Aber wenn die Bevölkerung eine Ausgabe beschliesst, dann muss sie auch finanziert werden. Aber auf der anderen Seite muss man sich früher oder später wirklich mit dem Rentenalter auseinandersetzen. Die Vorschläge, die wir gemacht haben, haben keine Mehrheit gefunden. Wir werden einen anderen Vorschlag vorlegen müssen. Wir können auch über das BVG diskutieren. Ein Teil davon ist im sogenannten BVG-Gesetz geregelt, und auch da haben wir ein Problem. Da gibt es etwas, was ein bisschen aus dem System herausfällt. Das ist der Umwandlungssatz, der im Moment im Gesetz festgelegt ist.

Was ist das Problem mit dem Umwandlungssatz?

Der Umwandlungssatz führt dazu, dass man im Durchschnitt mehr Geld aus dem einbezahlten Kapital erhält, als man einbezahlt hat. Das widerspricht dem Kapitaldeckungsprinzip der beruflichen Vorsorge. Es wurde dreimal versucht, den Umwandlungssatz aus dem Gesetz zu streichen. Ich war zweimal dafür, bei der Revision vor sieben Jahren dagegen, weil man die AHV erhöhen wollte. Ich glaube nicht, dass man den Umwandlungssatz aus dem Gesetz bekommen kann. Es ist für die Gegenseite zu einfach, eine Kampagne zu starten mit dem Argument, dass man weniger Rente bekommen wird. Selbst wenn man Gegenmassnahmen ergreift, damit man am Ende sogar mehr Rente hat, verursacht allein die Senkung des Umwandlungssatzes genug Widerstand. Dabei wären nur sehr wenige davon betroffen. Die meisten Pensionskassen müssen den Umwandlungssatz nicht mehr anwenden, weil die meisten Leute (rund 85 Prozent) mehr Geld versichert haben, als das Gesetz vorsieht. Alles, was darüber hinausgeht, ist mehr oder weniger dereguliert. Die meisten Pensionskassen konnten das Problem also lösen.

Noch eine Frage zu Pensionskassen und Freizügigkeitsleistungen. Wenn man selbständig ist und eine eigene Firma gründet, ist man nicht mehr an eine Pensionskasse angeschlossen und hat die Freiheit, das Pensionskassengeld selbst zu verwalten. Man kann den eigenen Anbieter wählen oder es an eine Freizügigkeitsstiftung überweisen. Gibt es einen Grund, warum dies nur Unternehmern erlaubt ist? Wenn Arbeitnehmer unternehmerisch tätig sind, warum können sie nicht auch einen Teil ihrer Pensionskassengelder in eine Freizügigkeitsstiftung einbringen?

Der Grund ist die Bundesverfassung. Dort steht, dass der Arbeitgeber die berufliche Vorsorge organisiert. Um das zu ändern, müssten wir die Bundesverfassung ändern. Ich persönlich bin dafür. Es gab auch einen Antrag der FDP, der den Bundesrat beauftragte, die Möglichkeiten einer freien Wahl der Pensionskasse für Arbeitnehmer zu prüfen. Leider ist er im Nationalrat gescheitert, obwohl es nur um eine Machbarkeitsstudie ging. Historisch gesehen gibt es diesen paternalistische Grundgedanken, weil es die Pensionskassen schon vor dem Pensionskassengesetz gab. Es gab viele freiwillige Pensionskassenlösungen. Als das Gesetz kam, hat man sich auf das bestehende System gestützt. Aber jetzt sind wir ein paar Jahrzehnte später, und ich stimme dir zu: Es wäre eine grosse Chance. Es würde auch zu einer Konsolidierung führen, wir hätten dann vielleicht noch 50 Anbieter und nicht 1'000. Wichtig ist, dass die Leute wissen, dass das BVG ein Kollektivsystem mit einer gewissen Solidarität ist. Wenn man nur einzelne Optionen hat und jedes Jahr wechseln kann, ist das wie die Säule 3a. Dann könnte man sagen, die dritte Säule wird massiv ausgebaut, aber die zweite Säule wird es nicht mehr geben. Deshalb finde ich es nicht schlecht, dass wir noch ein System haben, in dem es Solidarität gibt und die Investitionsrisiken geteilt werden. Wenn wir den auch abschaffen würden, sähe ich keinen Grund mehr für die zweite Säule. Ich denke, die drei Säulen sind gut. Sie sind eine gute Mischung.

Du hast vorhin den 13. AHV-Lohn erwähnt. Er hat sich nicht in die Richtung entwickelt, die wir uns aus unternehmerischer Sicht gewünscht hätten. Warum hat die Mehrheit so abgestimmt?

Das ist eine sehr philosophische Frage. Ich werde versuchen, sie auf die 13. AHV-Rente zu beschränken. Als wir im Parlament darüber diskutierten, dachten wir, sie hätte keine Chance, von der Bevölkerung akzeptiert zu werden. Wir dachten, wir bräuchten keinen Gegenvorschlag zu machen, er würde schon abgelehnt werden. Das war eine Fehleinschätzung. Ich gehörte zu jenen, die sagten, wir bräuchten keinen Gegenvorschlag. Als wir im Parlament darüber diskutierten, war die Stimmung eine andere als zwei Jahre später, als es zur Abstimmung kam. In dieser Zeit ist viel passiert. Die Credit Suisse ging unter. Die Inflation ist gestiegen. In der Schweiz lief es eigentlich noch gut, aber die weltweiten Schlagzeilen brachten es in die Schweiz und wir sprachen plötzlich alle über die Kaufkraft. Das alles zusammen war Gift für die Abstimmung. Jetzt geht die Inflation wieder zurück. Ich denke, wenn wir heute abstimmen würden, könnte das Ergebnis anders ausfallen. Vielleicht immer noch ein Ja, aber nicht so eindeutig. Ich bin sicher, dass es auch Leute gab, die sagten: Sie geben der Ukraine jetzt Geld, warum geben sie es nicht uns, den Rentnern? Es werden viele Dinge miteinander verknüpft, die nichts miteinander zu tun haben. Denn die AHV hat nicht mehr oder weniger Geld, je nachdem, ob man Geld in die Ukraine schickt. Aber viele Leute stellen diese Verbindung her.

Zurück zum Ausgangsthema. Wir haben vorhin über deinen unternehmerischen Erfolg und Geld gesprochen. Welche Bedeutung hat Geld für dich?

Für mich ist Geld ein Zahlungsmittel und ein Mittel zum Zweck. Ich klinge wie ein Wirtschaftswissenschaftler, was ich auch bin, aber das ist für mich die Bedeutung von Geld.

Und wie investierst du das Geld, das du übrig hast?

Das ist sehr wenig, um ehrlich zu sein. Ich segle immer ein bisschen hart am Wind. Ich habe voll in die Säule 3a einbezahlt, vielleicht nicht schon mit 18 Jahren, aber seit ich 21 oder 22 war. Aber sonst habe ich relativ wenig Geld auf der Seite. Ich habe es meistens investiert, in die Unternehmen, in denen ich arbeite. Ich hätte gerne schon vor fünf Jahren Krypto gekauft, ich hätte gerne schon vor zehn Jahren einen Aktienfonds gekauft. Natürlich habe ich Aktien in meiner Säule 3a, wo ich zu 95 Prozent in Aktien investiert bin. Aber sonst habe ich nicht viel Geld auf der hohen Kante. Wenn ich etwas Geld habe, zahle ich in die Pensionskasse ein, um dort das Einkaufspotenzial zu nutzen. Aber ich weiss nicht, ob das klug ist. Der Zinssatz ist im Moment niedrig. Leider habe ich den grossen Brocken noch nicht auf der Seite, aber ich arbeite daran. Ich denke, es ist immer noch okay, mit 30 ein paar Schulden zu haben. Es gibt Leute aus der vorherigen Generation, die sagen, sie hätten nie Schulden gehabt. Das finde ich einen schönen Gedanken. Ich gratuliere jedem, der das kann. In meinem Fall war es nicht möglich, keine Schulden zu haben und gleichzeitig hoffentlich ein Vermögen als Unternehmer aufzubauen.

Eine Frage, die manchmal von unseren Kunden kommt, steht im Zusammenhang mit der Säule 3a. Wenn man in die Säule 3a einzahlt, muss man das Geld erst später in der Zukunft zu einem reduzierten Steuersatz versteuern. Wer sagt uns aber, dass es dann immer noch so sein wird? Wer sagt uns, dass wir dann noch den Vorteil haben, den uns die Politiker heute versprechen?

In der Bundesverfassung steht, dass die private Altersvorsorge von der Politik gefördert werden muss. Solange dies in der Verfassung steht, müssen wir uns daran halten. Wir haben aber kein Verfassungsgericht, das heisst, Bundesversammlung und Parlament können von der Verfassung abweichen. Es steht und fällt also mit der Politik. Es hat nicht geholfen, dass die Expertengruppe Gaillard vorgeschlagen hat, das Steuerprivileg abzubauen. Aber – und das ist mir wichtig zu sagen – es hat einen Grund, warum Kapitalbezüge günstiger besteuert werden als Renten. Sonst hätte man eine enorme Steuerprogression, weil das Geld auf einmal kommt. Deshalb ist der Steuersatz für die Rente niedriger als für den Kapitalbezug. Es werden zwei Steuersätze benötigt. Das ist uns klar, aber der Öffentlichkeit nicht. Die Leute haben das Gefühl, dass es eine ungerechtfertigte Privilegierung gibt. Um zum Schluss zu kommen: Ich mache keine Werbung für eine bestimmte Partei, aber letztlich geht es immer um die Frage, wie die Bevölkerung wählt. Wenn die Bevölkerung tendenziell Parteien wählt, die das private Sparen nicht fördern wollen, dann ist das Risiko grösser, dass es in zehn oder 20 Jahren diese Vorteile nicht mehr gibt.

Letzte Frage: Welchen Rat würdest du deinem 20-jährigen ich geben?

Ich würde alles so machen wie bisher. Ich stehe jeden Morgen sehr gerne auf, auch wenn der Wecker früh klingelt. Ich sage mir immer: Irgendwann möchte ich keinen Wecker mehr stellen müssen, aber das wird wohl erst im Ruhestand sein. Ich muss sagen, dass ich in den letzten zehn Jahren auch sehr viel strategisch gedacht habe. Ich nehme mir jedes Jahr ein Wochenende Zeit und überlege genau, was ich in welchem Bereich wie machen will. Und in dem, was ich heute tue, steckt eine Menge Arbeit.

Ich bin mit 20 übrigens viel ausgegangen. Aber dann habe ich am Sonntagmorgen ein Parteiprogramm geschrieben statt Netflix geguckt. Mit einem Hangover habe ich im Bett ein bisschen Politik gemacht. Und ich würde sagen, die Mühe hat sich bis jetzt gelohnt.

Andri, ich danke dir sehr. Vielen Dank auch an Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Bis zum nächsten Mal.

Disclaimer: Wir haben für den Inhalt dieses Artikels grosse Sorgfalt angewendet. Trotzdem können wir Fehler nicht ausschliessen. Die Gültigkeit des Inhalts beschränkt sich auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Über den Autor

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Felix Niederer

Gründer und CEO True Wealth. Nach seinem ETH-Abschluss als Physiker war Felix erst mehrere Jahre in der Schweizer Industrie und darauf vier Jahre bei einer grossen Rückversicherung im Portfoliomanagement und in der Risikomodellierung tätig.

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