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Talk – Gründerland Schweiz mit Dr. Thomas Dübendorfer

02.07.2024
Felix Niederer
Zu Gast: Dr. Thomas Dübendorfer, Gründer und Präsident des Angel-Investoren-Clubs SICTIC

Willkommen zur ersten Folge in einer Podcastserie zum Thema «Gründerland Schweiz». In dieser spannenden Reihe beleuchten wir die vielfältigen Facetten der Schweizer Gründerszene und sprechen mit prägenden Persönlichkeiten.

Unser erster Gast ist eine unverzichtbare Grösse in der Schweizer Gründerszene: Dr. Thomas Dübendorfer. Dr. Thomas Dübendorf ist Mitgründer und Präsident von SICTIC, dem grössten Angel-Investor-Club in der Schweiz, sowie ein mehrfacher Gründer und erfahrener Investor. In unserem Gespräch haben wir über seine Erfahrungen, die Herausforderungen und die Chancen für Start-ups in der Schweiz gesprochen.

Thomas, nach deinem Doktoratsstudium an der ETH hast du für Google den Standort Schweiz aufgebaut. Das allein wäre für viele schon eine grosse Herausforderung, aber während dieser Zeit hast du auch dein erstes Unternehmen gegründet: eine Kontaktplattform für Expats. Wie ist es dazu gekommen und was war deine Motivation, neben deiner Arbeit für Google ein Unternehmen zu gründen?

Ich bin 2006 zu Google gekommen, als das Unternehmen in der Schweiz noch sehr klein war, vor allem im Bereich Sales. Dann wurde beschlossen, die Schweiz zum grössten Engineering-Standort ausserhalb Nordamerikas auszubauen. Ich hatte das Privileg, ein neues Team im Bereich Cybersecurity und Anti-Fraud im Werbesystem aufzubauen und später auch Teams im Bereich Datenschutz, um Google mit den europäischen Datenschutzanforderungen kompatibel zu machen. Während dieser Zeit wuchs Google in Zürich sehr schnell. Als ich anfing, hatten wir etwa 40 Mitarbeitende, sieben Jahre später waren es 1'300. Diese unternehmerische Tätigkeit hat mir sehr gefallen. In dieser Zeit lernte ich einen guten Studienkollegen kennen, der gerade ein Start-up gründete und Unterstützung brauchte. So begann ich, ohne viel Erfahrung, meine Reise in die Welt der Start-ups als Investor.

Was war deine «Lesson Learned» aus dieser ersten Gründung? Was braucht es, um erfolgreich zu gründen?

Es ist wichtig, mit Jungunternehmern zusammenzuarbeiten und Innovationen in Produkte zu verwandeln. Man muss mit der Unsicherheit umgehen können und bereit sein, alles zu geben – sei es Netzwerk, Strategie oder Erfahrung. Start-ups sind abenteuerlich und risikobehaftet. Man muss abenteuerlustig sein, um in dieser Welt erfolgreich zu sein.

In den USA sprechen Gründer offen über Misserfolge, während das in Europa eher ein Tabu ist. Woran liegt das?

In der Schweiz neigen wir dazu, nach Perfektion zu streben und unsere Arbeit erst dann zu zeigen, wenn wir vollkommen zufrieden sind. In den USA hingegen wird ein Produkt frühzeitig auf den Markt gebracht und dort weiterentwickelt. Diese kulturellen Unterschiede hemmen die Bereitschaft, Risiken einzugehen und Fehler als Lernquelle zu akzeptieren.

Aber ein Misserfolg ist immer eine Quelle der Erfahrung. Man lernt daraus und macht es beim nächsten Mal besser. Man kann aus jedem Fehler lernen, aber man kann nicht jeden Fehler selbst machen. Das wäre viel zu teuer. Man muss aus den Fehlern der anderen lernen. Kulturell bedingt ist es in der Schweiz so, dass diejenigen, die finanziell erfolgreich sind, nicht darüber sprechen und diejenigen, die Fehler machen, eher auch nicht. Man spricht lieber über den Durchschnitt, über die, die nicht so auffallen. In den USA ist das anders. Dort spricht man von Pionieren, die die Welt verändern wollen, die auf den Mars fliegen. In der Schweiz gibt es diese Pioniere auch, aber sie arbeiten etwas im Verborgenen.

Hast du selbst auch Misserfolge erlebt?

Wer in Start-ups investiert, geht davon aus, dass ein Teil der Start-ups nicht überleben wird. Je mehr Risiko man eingeht, desto höher ist die Ausfallquote. Ich habe natürlich auch in Start-ups investiert, die nicht überlebt haben. Ein Beispiel ist ein Unternehmen, das von den Daten eines grossen sozialen Netzwerks abhängig war. Als der Zugang zu den Daten gesperrt wurde, brach unser Geschäftsmodell zusammen. Denn ohne Daten konnten wir kein Geld verdienen. Wir wussten von Anfang an, dass wir auf den Datenfeed angewiesen sind. Aber wir dachten, dass diese Plattform nicht so schnell merkt, dass man mit diesen Daten viel Geld verdienen kann. Letztendlich war es ein Totalverlust.

Wo siehst du den volkswirtschaftlichen Nutzen von Gründungen?

Die Schweiz hat eine hohe Innovationsrate, aber um den gesellschaftlichen Nutzen zu maximieren, müssen diese Innovationen in Produkte umgesetzt werden. Start-ups sind dafür ideal positioniert, da sie hohe Risiken eingehen können. Sie schaffen zukunftssichere Arbeitsplätze und treiben die wirtschaftliche Agilität voran, was in Zeiten von Digitalisierung und KI besonders wichtig ist.

Wie schätzt du die Rahmenbedingungen für Start-ups in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern ein?

Betrachtet man die Start-up-Hubs der Welt, ist die Schweiz nicht unter den Top 30. Das hat vor allem mit der Grösse zu tun. Oft wird nicht die Schweiz verglichen, sondern nur eine Stadt, nämlich Zürich. Die Schweiz ist in der Breite stark. Wir haben in mehreren Landesteilen exzellente wissenschaftliche Zentren, die verschiedene Spin-offs hervorgebracht haben. Zum Beispiel die EPFL in Lausanne, die ETH in Zürich oder auch die HSG in St. Gallen und die Universität Zürich. Im internationalen Vergleich wird dies jedoch meist nur pro Stadt betrachtet. Weil Zürich im Vergleich zu Weltmetropolen wie New York, San Francisco, London oder Singapur eine sehr kleine Stadt ist, verschwinden wir oft in den Rankings.

Ich glaube, für die Schweiz ist es wichtig, dass die Rahmenbedingungen so sind, dass die Leute Start-ups gründen wollen. Es muss sich auch finanziell lohnen, denn es ist ein Engagement über fünf bis zehn Jahre. Es sollte ein gewisses soziales Ansehen in der Gesellschaft haben, so dass man sich freut, wenn jemand ein Start-up gründet und nicht fragt: «Warum machst du das? Hast du keinen richtigen Job gefunden?»

Ist genug Risikokapital in der Schweiz verfügbar?

In den frühen Phasen der Unternehmensentwicklung, in denen SICTIC aktiv ist, sind die ersten 1 bis 2 Millionen Schweizer Franken durchaus zu finden, sofern die Idee und das Team überzeugend sind und das Geschäftspotenzial gross genug ist. Was jedoch fehlt, ist Wachstumskapital. Unternehmen, die Kapital im Bereich von 10 bis 50 Millionen Schweizer Franken suchen, müssen dieses in der Regel im Ausland finden. Dies bedeutet, dass der Aufwand, Kapital zu beschaffen, um zu wachsen und mehrere hundert Mitarbeiter einstellen zu können, erheblich grösser ist. Zunächst müssen Kontakte geknüpft und Vertrauen aufgebaut werden, bevor grössere Summen zur Verfügung stehen. Es wäre wünschenswert, wenn die Schweiz ebenfalls ein Wachstumsvehikel hätte, das in einem grösseren Massstab funktionieren könnte. Dies erfordert jedoch den Mut, zu sagen, dass wir in der Schweiz Arbeitsplätze schaffen wollen. Beispielsweise könnte Kapital, das derzeit in den Pensionskassen liegt, teilweise in Start-up-Kanäle gelenkt werden. Doch derzeit fehlt in der Politik der Mut für solche Schritte.

Eine persönliche Frage zum Abschluss: Was bedeutet Geld für dich?

Geld macht vieles einfacher oder man kann etwas schneller umsetzen. Gleichzeitig, wenn man grössere Summen Geld hat, bedeutet das für mich vor allem Verantwortung. Und zwar die Verantwortung, mit diesem Geld etwas Sinnvolles zu machen. Ich setzte das Geld am liebsten für Start-ups ein, die wiederum Arbeitsplätze schaffen. Ich habe in Unternehmen in der Schweiz und in Afrika investiert, wo ich durch meine Investments 18'000 Jobs geschaffen habe.

Für alle, die selbst ein Unternehmen gründen möchten oder vor der Herausforderung stehen, Kapital aufzunehmen: Du hast ein Buch darüber geschrieben. Möchtest du es kurz vorstellen?

Ja, das «Swiss Angel Investor Handbook» ist ein Leitfaden für Privatinvestoren. Es behandelt Themen wie Investitionsschemata, steuerliche Aspekte und die Zusammenarbeit mit Gründerteams. Das Buch kann kostenlos als PDF unter angelhandbook.ch heruntergeladen werden und wird auch in gedruckter Form verteilt.

Vielen Dank für das Gespräch, Thomas.

Disclaimer: Wir haben für den Inhalt dieses Artikels grosse Sorgfalt angewendet. Trotzdem können wir Fehler nicht ausschliessen. Die Gültigkeit des Inhalts beschränkt sich auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Über den Autor

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Felix Niederer

Gründer und CEO True Wealth. Nach seinem ETH-Abschluss als Physiker war Felix erst mehrere Jahre in der Schweizer Industrie und darauf vier Jahre bei einer grossen Rückversicherung im Portfoliomanagement und in der Risikomodellierung tätig.

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