Kann man rational investieren?
Würden wir alle dem Menschenbild des Homo Oeconomicus entsprechen, wären wir perfekte Anleger. Doch egal wie viel Erfahrung wir als Anleger haben, wir werden von Emotionen gesteuert. Die richtige Strategie hilft.
Würden wir alle dem Menschenbild des Homo Oeconomicus entsprechen, wären wir die perfekten Anleger: Wir hätten alle Informationen, klare Präferenzen und würden immer rational handeln. Doch der Homo Oeconomicus existiert nur in akademischen Lehrbüchern. Denn egal wie viel Börsenerfahrung ein Anleger hat, er wird sich immer von Emotionen leiten lassen und neigt deshalb zu irrationalem Handeln.
Menschen denken gerne von sich selber, dass sie rational handeln, wichtige Entscheidung also gut durchdacht und durch gesammelte Informationen abgesichert sind. Doch Emotionen haben weit mehr Einfluss auf unser Verhalten, als wir uns gerne glauben machen wollen. In der Wissenschaft beschäftigt sich das Fachgebiet der Behavioral Finance – oder auf Deutsch Verhaltensökonomik – wie wir handeln und Entscheide treffen. Vor allem unsere Erfahrungen und Vorlieben, aber auch der Einfluss von anderen Menschen auf uns selbst können unser Handeln beeinflussen. Dies muss nicht immer schlecht sein, aber beim Investieren lohnt es sich, sich zumindest darüber bewusst zu werden.
Die Wissenschaft liefert uns – gewissermassen als Antithese zum klassischen aber nie beobachteten Homo Oeconomicus – verschiedene Erklärungsmodelle, um irrationales Verhalten beschreiben zu können. Im Folgenden werden drei ausgewählte Modelle vorgestellt. Das Englische hat dafür einen allgemeinen Begriff Bias, der im Deutschen mit Voreingenommenheit, Befangenheit, Vorurteil oder Verzerrung umschrieben werden kann.
Bias 1 – Die eigene Meinung bestätigen
Sie wollen sich Aktien eines bestimmten Unternehmens kaufen. Mit dem Gedanken spielen Sie schon lange, doch Sie sind sich noch nicht ganz sicher, ob dies wirklich die richtige Entscheidung ist. Sie machen sich deshalb auf die Suche nach objektiven Informationen, die Ihnen helfen, sich zu entscheiden. Denn mit genügend Informationen wird sich schon herausstellen, ob der Kauf richtig ist oder nicht. Leider kommt hier der «Confirmation Bias» ins Spiel, der die Informationsbeschaffung erschwert. Dieses Konzept geht davon aus, dass man besonders solche Informationen beachtet, welche die eigene Meinung bestätigen. Im fiktiven Beispiel will die Person die Aktien eigentlich, sie sucht nur noch nach Bestätigung. Deshalb ist sie besonders für solche Informationen zugänglich, welche die Firma in ein gutes Licht rücken. So können beim Investieren jedoch Fehlkäufe entstehen.
Das Problem des Confirmation Bias verstärkt sich durch die steigende Informationsflut im Internet, denn egal für welche Aktie Sie sich interessieren, Sie werden eine Vielzahl an positiven und negativen Artikeln und Prognosen über das jeweilige Unternehmen finden. Eine lesenswerte Studie mit dem Titel «Information Valuation and Confirmation Bias in Virtual Communities: Evidence from Stock Message Boards» von JaeHong Park hat das Zusammenspiel von Internet und Confirmation Bias genauer angeschaut. Dabei wurde das Leseverhalten der Nutzer einer südkoreanischen Finanzcommunity untersucht. War zum Beispiel einer der Teilnehmer gerade auf der Unterseite von Samsung-Aktien, wurde er zuerst befragt, ob und wie viel er in diese Aktie investiert hat und was er momentan von der Aktie hält. Danach wurden auf dem Portal fünf verschiedene Nachrichten (zwei mit positivem, zwei mit negativem und eine mit neutralem Inhalt) zu der jeweiligen Aktie angezeigt. Die Ergebnisse zeigen, dass Nutzer eher auf die Nachricht klicken, welche ihren vorherigen Einstellungen entsprechen und diese auch als relevanter einschätzen.
Bias 2 – Der falsche Zahlenwert
Menschen orientieren sich gerne an Referenzwerten, um Entscheidung zu treffen, denn sie helfen Abstraktes einzuordnen. Beim sogenannten «Investment Anchoring» könnte genau das zu einem Problem werden. Dabei passt man die eigenen Erwartungen an eine bestimmte, eigentlich völlig irrelevante Zahl an. Ein Beispiel: Sie investieren in ein Unternehmen, dessen Aktien nach einem Höchstwert kürzlich stark gefallen sind. Der momentane Kurs erscheint im Vergleich zum Höchstwert wie ein Schnäppchen. Ihre Erwartungen haben sich also dem damaligen Höchstwert angepasst. Dieser ist jedoch irrelevant, denn eine historische Rendite sagt nichts über die zukünftige Performance aus. Ausserdem könnte sich im Unternehmen etwas grundlegend geändert haben, so dass ein höherer Kurs gar nie mehr erreicht wird.
Das Investment Anchoring wurde in einer Studie von Markki Kaustia mit dem Titel «How Much Does Expertise Reduce Behavioral Biases? The Case of Anchoring Effects in Stock Return Estimates» untersucht. In Experimenten mussten Studenten und Berufstätige aus dem Finanzbereich eine erwartete Performance für bestimmte Märkte schätzen, wobei sie unterschiedliche Informationen zur vorherigen Performance erhielten. In einem der Experimente zeigte sich der Anchoring Effekt wie folgt: Der Hälfte der Teilnehmer berichtete man über eine hohe historische Rendite, der anderen über eine tiefe. Die Gruppe mit der tiefen historischen Rendite schätzten die zukünftige Rendite viel tiefer ein. Beeinflusst wurden dabei nicht nur die Studenten, sondern auch die Berufstätigen, diese aber deutlich weniger stark.
Bias 3 – Mit Verlusten umgehen
Menschen können schlecht mit Verlusten umgehen und wollen sich solche nicht eingestehen. Das hat Auswirkungen auf ihr Investitionsverhalten. Beim «Disposition Effect» würden Sie eine Aktie in Ihrem Depot, welche kürzlich einen schlechten Kurs erzielt hat, lieber behalten anstatt verkaufen. Umgekehrt würden Sie, falls Sie dem «Disposition Effect» unterliegen, eine Aktie, nachdem sie einen hohen Kurs erreicht hat, tendenziell zu früh verkaufen.
Eine Erklärung für dieses Verhalten liefert die «Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk» von Kahneman und Tversky. Die Theorie geht davon aus, dass Verluste einen grösseren emotionalen Effekt auf Menschen haben als Gewinne: Könnten Sie auswählen, ob wir Ihnen direkt 50 Franken geben oder zuerst 100 Franken und dann 50 Franken davon abziehen, würden Sie gemäss Kahneman und Tversky die erste Option wählen. Rational gesehen hätten beide Optionen den gleichen Nutzen, sie unterscheiden sich nur im wahrgenommenen Nutzen und in der individuellen Verlustaversion, die das Handeln irrational werden lassen.
Die richtige Strategie hilft
Die Beispiele illustrieren, dass es uns schwerfällt, Anlageentscheide rational zu treffen. Wir werden auch beim Investieren stärker als uns bewusst ist von Emotionen gesteuert und neigen dazu, Informationen nicht objektiv auszuwählen oder zu interpretieren. Beim Anlegen empfehlen wir deshalb, eine einmal getroffene Anlagestrategie möglichst beizubehalten. Die Anlagestrategie soll global diversifiziert und auf Langfristigkeit ausgerichtet sein. Und Sie sollten Ihre Strategie möglichst kosteneffizient umsetzen.
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