GebührenBlog & News

#28 Payment for Order Flow: eine umstrittene Praxis im Aktienhandel

30.07.2024
Felix Niederer

Wie verdienen Gratis-Broker mit Ihren «Trades» Geld? Der Trick heisst: Payment for Order Flow. Erhalten Sie einen Einblick in das Geschäftsmodell von Gratis-Brokern und warum sie doch nicht ganz gratis sind.

Viele, die ihre Investments selbständig verwalten, nutzen zum Traden sogenannte «Gratis-Broker». Neobroker wie Robinhood, Scalable Capital, oder Trade Republic bieten ihren Kunden einen verhältnismässig einfachen und günstigen digitalen Zugang zum Handel mit Aktien und anderen Finanzinstrumenten an.

Geld verdienen sie vor allem durch sogenanntes «Payment for Order Flow» (PFOF) – sprich Zahlungen für die Weiterleitung der Trades ihrer Kunden.

Wie funktioniert das Geschäftsmodell «Payment for Order Flow»?

Idealerweise sollte Ihr Aktienbroker respektive Ihre Tradingplattform, Ihren Handelsauftrag an den Handelsplatz weiterleiten, der sich für Ihren Trade am besten eignet. Man nennt das «Best Execution». Je nach Handelsauftrag kann «am besten» jedoch etwas anderes bedeuten. Zum Beispiel, dass Ihr Trade so schnell wie möglich und mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeführt wird, oder dass Ihr Trade zum bestmöglichen Preis ausgeführt wird, oder beides gleichzeitig.

Je liquider der Handelsplatz, desto eher sind diese Anforderungen erfüllt. Üblicherweise ist der liquideste und damit geeignetste Handelsplatz ganz einfach die Börse, an der die Aktie gelistet ist. Denn an der Börse findet der Markt zwischen Käufern und Verkäufern von Wertschriften statt.

Market-Maker kurz erklärt

Eine besondere Kategorie von Marktteilnehmern sind die Market-Maker. Market-Maker haben die Aufgabe, für ein bestimmtes Wertpapier ständig eine Mindestliquidität zu gewährleisten, indem sie laufend einen Kurs zum Kauf und gleichzeitig einen Kurs zum Verkauf stellen. Damit ein Market-Maker diese Preise stellen kann, führt er ein Inventar der Wertschrift in seinem eigenen Buch. Aus der Spanne zwischen Geld- und Briefkurs erzielt der Market-Maker seinen Ertrag, der ihn für das Risiko entschädigt, auf seinem Bestand sitzen zu bleiben oder ihn zu einem schlechteren Preis verkaufen zu müssen, als er ihn gekauft hat.

Market-Maker sind eine wichtige Quelle für Liquidität. Sie sind aber nur eine von vielen und stehen auch in Konkurrenz zu allen anderen Markteilnehmern. Wenn ein Market-Maker seine Geld-Brief-Spanne (auf Englisch «Bid-Ask-Spread») zu weit auseinandersetzt, kann es sein, dass ihm ein anderer Marktteilnehmer zuvorkommt und Ihren Handelsauftrag an der Börse annimmt.

Wettbewerbsverzerrung durch direkte Trades

Grundsätzlich gilt also: Je mehr unterschiedliche Marktteilnehmer, desto liquider ist ein Börsenplatz. Beim «Payment for Order Flow» leitet Ihr Neobroker respektive Ihre Tradingplattform Ihren Handelsauftrag nun aber nicht an die Börse, sondern direkt an einen einzelnen Market-Maker weiter. Der Vorteil für den Market-Maker: Er muss seine Geld-Brief-Spanne nicht so eng stellen, wie er es sonst an der Börse müsste, weil er so keine Konkurrenz hat. Im Gegenzug dafür erhält die Tradingplattform eine Gebühr.

Kritik am PFOF-Modell

Das PFOF-Modell wird vor allem von kostenlosen Online-Handelsplattformen genutzt. Anstatt ihren Kundinnen und Kunden eine transparente Courtage für die Ausführung des Trades in Rechnung zu stellen, nutzen diese Anbieter das PFOF-Modell und erhalten so eine Verkaufskommission für die Vermittlung des Trades an den Market-Maker. Kurz: Ihr Handelsauftrag wird zu einem schlechteren Kurs, aber dafür «gratis» ausgeführt.

Viele Kundinnen und Kunden sind sich dieser versteckten Kosten jedoch oft nicht bewusst. Auch deshalb ist das Modell umstritten. Zudem könnten Neobroker versucht sein, die Handelsaufträge ihrer Kundinnen und Kunden an die Handelsplätze weiterzuleiten, die ihnen die höchsten Kommissionen zahlen. Dies kann dazu führen, dass Ihr Auftrag zu einem ungünstigen Kurs ausgeführt wird. Ein klassischer Interessenkonflikt, für den letztlich die Kunden zahlen müssen.

Rechtliche Lage

In der EU wurde am 8. März 2024 ein Verbot des Vergütungsmodells «Payment for Order Flow» (PFOF) beschlossen, welches kurz darauf in Kraft trat. Das neu beschlossene Verbot muss voraussichtlich ab Mitte 2026 von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. In Kanada, Grossbritannien und Australien ist das PFOF-Modell bereits verboten, in der Schweiz hingegen ist in näherer Zukunft kein Verbot absehbar.

War Ihnen bewusst, wie Neobroker ihr Geld verdienen? Hinterlassen Sie mir Ihr Feedback per E-Mail.

Disclaimer: Wir haben für den Inhalt dieses Artikels grosse Sorgfalt angewendet. Trotzdem können wir Fehler nicht ausschliessen. Die Gültigkeit des Inhalts beschränkt sich auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Über den Autor

author
Felix Niederer

Gründer und CEO True Wealth. Nach seinem ETH-Abschluss als Physiker war Felix erst mehrere Jahre in der Schweizer Industrie und darauf vier Jahre bei einer grossen Rückversicherung im Portfoliomanagement und in der Risikomodellierung tätig.

Laptop

Bereit zu investieren?

Konto eröffnen

Sie wissen nicht, wo Sie anfangen sollen? Eröffnen Sie jetzt ein Testkonto und wandeln Sie es später in ein echtes Konto um.

Testkonto eröffnen
Phone