Wie würde ChatGPT investieren?

Googles Chatbot Bard hat in seiner ersten Präsentation versagt. Die Aktie des Mutter-Konzerns Alphabet ist daraufhin im Februar abgestürzt. Auch der Chatbot ChatGPT aus dem Hause OpenAI ist alles andere als unfehlbar. Er ist bekannt dafür, oft Inhalte zu erfinden.

Bard, ChatGPT und viele andere Chatbots stehen derzeit im Zentrum des öffentlichen Interesses. Sie basieren auf grossen Sprachmodellen (Large Language Models, LLM). Solche Sprachmodelle sind leider nicht verlässlich, was Fakten angeht. Schon gar nicht, wenn es News betrifft.

Mangelnde Faktentreue muss beim Thema Investieren allerdings kein Nachteil sein. Denn am Markt geht es nicht darum, im Detail genau reproduzieren zu können, was gestern oder letzte Woche passiert ist. Fürs Anlegen interessant wären eher Prognosen. Auf diesem Feld sind aber auch Menschen notorisch schlecht: Sie liegen mit ihren Vorhersagen oft daneben.

Die Wissenschaft ist sich darum einig: Mehr als auf Fakten kommt es beim Investieren auf robuste Entscheidungen an – und zwar im vollen Bewusstsein von Ungewissheit. Falls die Sprachmodelle um ihre eigene Fehlbarkeit wissen, müssten sie im Grunde gute Tipps geben können. Mit dieser Erwartung starten wir einen kleinen Versuch mit ChatGPT.

Eine erste Sitzung auf Englisch

In einer ersten Sitzung fragen wir auf Englisch: «How would you invest $100,000?» Als Antwort kommt eine sauber gegliederte Liste mit fünf klaren Vorschlägen zurück. Diese hier:

ChatGPT gibt sich zunächst zurückhaltend. Empfiehlt dann aber doch konkrete Schritte.

How to invest $100,000 will depend on several factors, including your investment goals, risk tolerance, time horizon, and overall financial situation. That being said, here are a few suggestions on how to invest $100,000:

Wie gut sind die Vorschläge? Alle fünf Punkte auf der Liste ergeben Sinn. Vier von ihnen passen genau zum Anlageansatz von True Wealth. Ganz oben auf der Liste steht: Diversifizieren.

1. Diversify your portfolio: Diversification is key to reducing risk in investing. Consider spreading your money across different asset classes, such as stocks, bonds, and real estate, to achieve a well-diversified portfolio.

Auch Punkt zwei auf der Liste könnte von uns stammen. Bei True Wealth ist sonnenklar: Wir legen für Sie ausschliesslich mit Fonds an. Für Ihr freies Vermögen verwenden wir dazu ETF, in der Säule 3a aus steuerlichen Gründen auch Indexfonds. Das deckt sich mit der Empfehlung: Erwäge Indexfonds oder börsengehandelte Fonds (ETFs).

2. Consider index funds or exchange-traded funds (ETFs): These investment vehicles provide a cost-effective way to gain exposure to a broad range of stocks or bonds. They also offer low fees and typically have a good track record of delivering solid long-term returns.

ChatGPT sagt auch, dass Immobilien zu einem diversifizierten Vermögen gehören. In den Portfolios unserer Kunden decken wir genau das ab – getreu unserer Haltung natürlich mit ETF.

4. Consider real estate: Real estate can provide a steady income stream through rental income and can appreciate over time. You can invest in real estate through a Real Estate Investment Trust (REIT) or by purchasing rental properties.

Entscheidungen rund ums Portfolio, findet ChatGPT, sollte niemand allein treffen. Ein Berater sollte dabei unterstützen, die Strategie zu erstellen. Genau darum ermitteln wir mit Ihnen erst einmal Ihre Risikotoleranz, und entwickeln erst dann Ihre Asset-Allokation.

5. Consult with a financial advisor: A financial advisor can help you tailor your investment strategy to your specific needs and goals, and provide valuable insights into the market and investment options.

Hinter vier von ChatGPTs Vorschlägen können wir voll und ganz stehen. Vorschlag Nummer 3 allerdings überzeugt uns nur halb.

Invest in blue-chip stocks: Blue-chip stocks are stocks of established, financially sound companies that have a long track record of stable growth and profitability. They tend to be less volatile than other stocks and offer reliable dividends.

Ganz so risikolos, wie ChatGPT behauptet, sind einzelne Bluechips nämlich nicht (denken Sie nur an Swissair oder Credit Suisse). Ein Portfolio von 100'000 Dollar ist zu klein, um mit Einzeltiteln effektiv zu diversifizieren.

Andererseits hat die künstliche Intelligenz auf ihre Art trotzdem recht: Bluechips machen nämlich automatisch einen grossen Teil eines diversifizierten Portfolios aus. Denn in ETFs auf einen Index sind grosse Firmen stärker vertreten als kleine – gewichtet sind sie nach dem Anteil der Marktkapitalisierung.

So stellt Apple allein bereits 7,1 Prozent des US-amerikanischen Index S&P 500. In der Schweiz sind die Gewichtungen noch extremer: Nestlé, Novartis und Roche machen Anfang 2023 zusammengenommen über 50 Prozent vom Swiss Market Index (SMI) aus.

Weitere Sitzungen auf Französisch und Deutsch

ChatGPT ist nicht nur dafür bekannt, es mit den Fakten nicht ganz so genau zu nehmen. Sondern auch dafür, dass es beim nächsten Mal etwas ganz anderes sagen könnte. Und so ist das auch in unserem Versuch.

Wir stellen die gleiche Frage noch einmal, dieses Mal auf Französisch und für Franken statt Dollar: «Comment investirais-tu 100 000 francs?»

Gleiche Frage, andere Sprache – und nicht nur sprachlich ist die Antwort anders, sie kommt auch in einer anderen Struktur. Was auf Englisch eine Liste war, präsentiert sich jetzt als Text in Prosa:

Mit der Form der Darstellung sind die Unterschiede noch lange nicht am Ende. Inhaltlich beginnt die künstliche Intelligenz viel zurückhaltender als auf Englisch. ChatGPT weigert sich, spezifisch und persönlich zu werden.

Genau wie im englischen Text betont ChatGPT auch in der französischen Antwort, wie wichtig Diversifikation für ein gutes Portfolio ist. Die künstliche Intelligenz empfiehlt auch hier, dass ein Berater die Investitionen auf die Anlageziele und die Risikotoleranz anpasst.

Nach den Erfahrungen auf Französisch muss es uns nicht wundern, dass die Antwort noch einmal anders ausfällt, wenn wir zum Schluss auch auf Deutsch fragen: «Wie würdest du 100'000 Franken investieren?»:

Wie bereits in der französischen Antwort finden wir auch auf Deutsch erst einmal Zurückhaltung. Hier verweist ChatGPT ausserdem gleich zu Anfang darauf, dass nur Profis eine Lösung auf Mass schneidern können.

Wie schon auf Französisch ist auch der deutsche Text in Prosa gehalten – und nicht so klar gegliedert wie der englische Vorschlag. Im Detail aber sind die Inhalte gut. Auch hier wieder ganz vorn dabei: Diversifikation. In der deutschen Fassung neu ist der Hinweis auf den Anlagehorizont – er kam in den anderen Sprachen nicht vor.

Wie in den beiden anderen Sprachen empfiehlt ChatGPT auch auf Deutsch, dass Profis die Strategie entwickeln sollten. Wie bereits im englischen Text schlägt ChatGPT vor, bei den Instrumenten auf passive Indexfonds zu setzen – auch weil die Gebühren einen erheblichen Einfluss auf die Rendite haben.

Andere Ergebnisse, gleiche Muster

Drei Sprachen, eine Frage, immer wieder andere Antworten. Und wenn wir nicht nur die Sprache gewechselt hätten, sondern ausserdem noch die Formulierung der Frage, dann würden wir noch weitere Antworten bekommen.

Es ist klar: Wir werden von ChatGPT keine eindeutige Antwort bekommen. Und das wird sich auch nicht ändern, wenn wir stattdessen Bing fragen oder Bard oder Bloom oder GPT-Neo – oder die nächste neue künstliche Intelligenz, die auf einem ähnlichen Sprachmodell basiert.

Die einzelne Antwort aus einem Sprachmodell wird nicht verlässlich sein. Aber im Vergleich über viele Antworten werden Muster erkennbar. Diese Muster sind konsistent – und sie sind hilfreich.

Der beste Rat ist Common Sense

Die wichtigen Grundsätze für erfolgreiches Anlegen sind oft in den Antworten dabei. Auf günstige Gebühren achten, und als Instrumente Index-ETF verwenden. Die allerwichtigsten Punkte sind in jeder Antwort enthalten: Diversifikation ist wichtig für ein gutes Portfolio. Und dass ein Profi dieses Portfolio auf die Bedürfnisse zuschneidert.

Empfehlungen wie diese entwickelt ChatGPT nicht etwa, weil es das Thema Investieren vollständig inhaltlich begriffen hätte. Sondern weil es so denkt, wie es immer denkt: datengetrieben, basiert auf Statistik.

Das Sprachmodell macht keine aussergewöhnlich kreativen Sprünge. Es wiederholt, was statistisch häufig nacheinander gesagt wurde – also auch im echten Leben so oder so ähnlich schon oft von Menschen gesagt wurde. Es tut das statistisch sorgfältig, und bildet so den grösstmöglichen Konsens ab.

Nicht für alle Fragen dieser Welt ist so eine statistische Herangehensweise die beste. Aber wenn es um Investitionen geht, dann liegt dieser statistische Konsens genau auf unserer Linie.

Seit 2014 geben wir bewusst keine Einschätzung zur Marktentwicklung ab. Aber wir zeigen in Ihrem Anlagemix jederzeit mit einem Score von 0 bis 10, wie gut Ihr Portfolio diversifiziert ist. Und wir sorgen mit einem algorithmischen Rebalancing dafür, dass Ihr Portfolio auch über die Zeit gut diversifiziert bleibt.

Links

• Setzen Sie alles auf eine Karte: Diversifikation - True Wealth Blog
• Rebalancing: Ein halbes Prozent extra - True Wealth Blog