True Wealth Finanzkompetenzindex 2024
Der True Wealth Finanzkompetenzindex offenbart eine moderate Finanzkompetenz in der Schweizer Bevölkerung. Im Durchschnitt konnten die Befragten lediglich 51.7% der gestellten Fragen korrekt beantworten, was 5.17 von 10 Fragen entspricht.
Auffallend ist der signifikante Unterschied zwischen den Geschlechtern: Männer erzielten mit 58.5% richtig beantworteten Fragen einen deutlich höheren Wert als Frauen, die 44.7% der Fragen korrekt beantworten konnten.
Bemerkenswert ist zudem, dass Frauen fast doppelt so häufig mit «Weiss nicht» antworteten. Betrachtet man den Anteil der falschen Antworten, so ist dieser bei Frauen und Männern nahezu identisch.
Dies mag darauf hindeuten, dass Frauen tendenziell vorsichtiger sind und bei Unsicherheit lieber auf eine Antwort verzichten, anstatt eine Vermutung zu äussern.
Betrachtet man den Zusammenhang zwischen Alter und Finanzkompetenz, so zeigt sich ein leichter Anstieg der korrekt beantworteten Fragen mit zunehmendem Alter. Diese Zunahme ist jedoch nicht stark ausgeprägt.
Zu vermuten ist, dass der Anstieg auf eine Kombination aus Lebenserfahrung, kumulativem Lernen und einer längeren Auseinandersetzung mit finanziellen Themen zurückzuführen ist. Möglich ist aber auch, dass sich hier schlichtweg die Tatsache spiegelt, dass spät vererbt wird, Vermögen statistisch mit dem Alter zunimmt und Menschen sich mehr für Anlagethemen interessieren, wenn ihr finanzielles Vermögen ihr eigenes Humankapital übersteigt.
Verschiedene Studien (siehe z.B. Strong evidence for gender differences in risk taking, Charness, Gary, and Uri Gneezy, 2012) belegen, dass Frauen im Durchschnitt weniger risikofreudig sind als Männer. Diese höhere Risikoaversion spiegelt sich nicht nur in ihrem Anlageverhalten wider, sondern auch in anderen Lebensbereichen.
So zeigen Männer häufiger riskante Verhaltensweisen – sei es bei Unfällen, Drogen- und Alkoholmissbrauch oder Straftaten. Dieses Muster lässt sich auch im Finanzbereich beobachten: Männer neigen stärker zum sogenannten «Overconfidence Bias» – einer übersteigerten Selbstsicherheit, die sie trotz mangelnder Kenntnisse zu Handlungen verleitet. Frauen hingegen sind eher bereit, Unsicherheiten einzugestehen und meiden oft den Kapitalmarkt, wenn sie sich unsicher fühlen. Dieses Verhalten kann das Vertrauen in die eigenen finanziellen Fähigkeiten schwächen.
Ein geringeres Selbstvertrauen in Finanzfragen kann aber nur einen Teil des Unterschieds erklären. Oft werden deshalb auch strukturelle Gründe wie traditionelle Rollenmodelle als Erklärung genannt.
Auffallend in unseren Daten 2024 ist jedoch, dass der Gender Gap bei jüngeren Altersgruppen kleiner als bei älteren, aber er immer noch ausgeprägt ist.
Fehlt es an Informationsangeboten, die sich dezidiert an Frauen richten? Oder interessieren sich Frauen im Schnitt weniger für Geld und finanziellen Erfolg, als dies Männer tun? Ist der soziale Status bei Männern stärker als bei Frauen vom persönlichen finanziellen Erfolg abhängig? Die TikTok Generation 2024 singt «I’m looking for a man in finance».
Der Finanzkompetenzindex zeigt, dass der sogenannte Gender Gap in der Finanzwelt nach wie vor signifikant ist. Doch die Voraussetzungen, das zu ändern, stehen gut. Andere Studien legen nahe, dass rund ein Drittel des Gender Gaps auf das geringere Vertrauen von Frauen in ihre eigenen finanziellen Fähigkeiten zurückzuführen ist. Umso wichtiger ist es, dass Frauen ihre Finanzkompetenz selbstbewusster nutzen.
Dr. Michael Jan Kendzia
ZHAW School of Management and Law
Einer der stärksten Zusammenhänge, den die Daten unmissverständlich ans Licht bringen, ist die Korrelation mit dem Einkommen: Mit steigendem Einkommen steigt statistisch auch die Finanzkompetenz. Während Personen mit weniger als 4’500 Franken Einkommen lediglich 39.4% der Fragen korrekt beantworten konnten, so konnten Personen in der höchsten Einkommensklasse 66% der Fragen richtig beantworten.
Was hier Ursache und Wirkung ist, ist nicht so klar. Beginnen sich Menschen erst dann mehr für Finanzfragen zu interessieren, wenn sie ein höheres Einkommen haben? Oder haben sie ein höheres Einkommen, weil sie eine höhere Finanzkompetenz haben? Oder zeigt sich hier unbekannter dritter Faktor, der sich sowohl auf Einkommen als auch auf das Finanzwissen auswirkt?
Wie beim Einkommen sehen wir auch bei der Schulbildung ein ausgeprägtes Muster hinsichtlich Finanzkompetenz. Während in der Gruppe der Personen mit hoher Schulbildung 61.8% der Fragen korrekt beantwortet wurden, lag der Anteil der korrekt beantworteten Fragen in der Gruppe der Studienteilnehmer mit niedriger Schulbildung bei lediglich 35.2%.
Das mag auf den ersten Blick unspektakulär wirken, ist Finanzkompetenz ja auch Bildung im weiteren Sinne. Doch finanzielle Bildung ist im Schweizer Schulsystem selten Teil des Lehrstoffes. Je nach Fachausrichtung kommt man selbst auf tertiärer Bildungsstufe – ETH, Universität – darum herum, eine Lehrveranstaltung über Finance zu besuchen (bei der HSG ist vermutlich schwieriger, so hoffen wir).
Es stellt sich also auch hier die Frage nach Ursache und Wirkung.
Und: Wie kann man breiteren Schichten die Grundlagen im Umgang mit Geld und Vermögen näherbringen?
Unsere Daten zeigt deutlich, wie stark auch im Jahr 2024 die sozio-ökonomischen Unterschiede sind, wenn es um finanzielle Allgemeinbildung geht.
Die Bedeutung einer fundierten finanziellen Bildung als Grundlage für informierte und effektive Anlageentscheidungen darf dabei nicht unterschätzt werden.
Es darf davon ausgegangen werden, dass hier Verbesserungspotential brach liegt.
Der Röstigraben ist der bildhafte Ausdruck für die Sprachgrenze zwischen dem deutschsprachigen und dem französischsprachigen Teil der Schweiz. Doch gibt es diese Grenze auch in der Finanzkompetenz?
Die Resultate der Studie zeigen: In der Deutschschweiz liegt die Finanzkompetenz mit 53.8% über derjenigen der Westschweiz mit 45.6%.
Der True Wealth Finanzkompetenzindex zeigt somit, dass die Deutschschweiz im Durchschnitt besser abschneidet als die Westschweiz.
Beschränkt man sich allerdings auf die drei grundlegendsten Fragen, sprich die «Big Three» (Zins, Inflation, Diversifikation), so liegen beide Sprachregionen nur unwesentlich auseinander.
Entwarnung ist aber zu früh, die Wissenslücken, wo sich der Röstigraben auftut, fordern ihren Tribut.
Während die Unterschiede im Bezug auf das Grundwissen von Inflation, Zinsen und Diversifikation zwischen den Regionen nicht sehr auffällig sind, zeigt sich ein deutlicherer Unterschied im Verständnis spezifischer Anlageklassen.
Auffällig ist dies bei der Kenntnis der Vorteile von ETF: 33% der Befragten aus der Deutschschweiz konnten diese korrekt benennen, während in der Westschweiz nur 18.3% über entsprechendes Wissen verfügten.
Auch beim Verständnis zu Aktien und Obligationen schnitten die Deutschschweizer deutlich besser ab. Während 74.1% der Deutschschweizer die Fragen zu Aktien korrekt beantworten konnte, waren es bei den Westschweizern nur 59.9%.
Um die Finanzkompetenz auf internationaler Ebene zu vergleichen, werden oft die so genannten «Big Three»-Fragen zum Zins, Inflation und Diversifikation herangezogen. Im Vergleich zu einer aktuellen Studie der Europäische Kommission (Flash Eurobarometer 2023) schneidet die Schweiz hier sehr gut ab.
Die erste der sogenannten «Big Three»-Fragen bezieht sich auf das Verständnis von Zinsen. In unserer Schweizer Studie konnten die Befragten 2024 diese Frage in 82% der Fälle korrekt beantworten, was ein sehr hoher Wert ist.
Anmerkung: In der Finanzwissenschaft hat sich ein Standard zu den «Big Three» Fragen etabliert, und entsprechend haben wir auch diese Frage zum Verständnis von Zins so gestellt. Eine neuere Studie der EU-Kommission von 2023 hat diese Frage etwas komplexer gestellt und nach dem Zinseszinseffekt gefragt. In der EU konnten 45% der Befragten die Frage zum Zinseszins korrekt beantworten. Im Gegensatz zu den andern beiden «Big Three»-Fragen sind die Ergebnisse zu dieser Frage also nicht 1:1 vergleichbar.
Die zweite Frage der «Big Three» thematisiert das Konzept der Inflation und deren Auswirkungen auf die Kaufkraft unter der Bedingung, dass die Inflationsrate höher ist als der Zinssatz auf einem Sparkonto.
Auch in dieser Frage schnitten die Schweizer Teilnehmer und Teilnehmerinnen leicht besser ab als unsere Nachbarn: Über 76% beantworteten die Frage korrekt. Damit liegt die Schweiz knapp vor Ländern wie Österreich, Luxemburg und Deutschland, die ebenfalls sehr hohe Werte erreichten.
Die umfassende Analyse mit allen Antworten, differenziert nach soziodemografischen Merkmalen, liefert tiefere Einblicke in die Finanzkompetenz und das Wissen über verschiedene Finanzthemen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen.
Die dritte und letzte Frage der «Big Three» befasst sich mit der Diversifikation, einem zentralen Konzept im verantwortungsvollen Umgang mit Investitionen. Auch hier zeigt die Schweiz im internationalen Vergleich sehr hohe Werte und übertrifft den EU-Durchschnitt um etwa 10%.
Insgesamt hat sich die Schweizer Bevölkerung nicht nur gegenüber dem europäischen Durchschnitt, sondern auch im Vergleich zu ihren Nachbarländern gut geschlagen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die finanzielle Allgemeinbildung der Schweizer Bevölkerung liegt 2024 mit 5.2 Punkten (sprich die Befragten konnten 52% der Fragen korrekt beantworten) auf einem moderaten Niveau.
Nicht jeder mag sich für Finanz- und Anlagethemen interessieren. Wer aber die wichtigsten Grundprinzipien im Umgang mit Geld nicht kennt, kann auch keine Verantwortung für sein finanzielles Wohlergehen übernehmen.
Beim True Wealth Finanzkompetenzindex 2024 handelt es sich um die erste Ausgabe des Index. Damit steht zukünftig ein Instrument zur Verfügung, um die weitere Entwicklung der Finanzkompetenz in der Schweiz zu beleuchten.
Der True Wealth Finanzkompetenzindex misst das Finanz- und Anlagewissen der Schweizer Bevölkerung und erlaubt eine detailliertere Analyse nach soziodemografischen Merkmalen.
Michael J. Kendzia ist Programmdirektor für den Bachelor in International Management an der ZHAW School of Management and Law. Er studierte Volks- und Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und der Warsaw School of Economics und promovierte 2010 an der Universität Köln.
Die GfK Switzerland AG (bis Dezember 2008 IHA-GfK AG) mit Sitz in Rotkreuz ist das grösste Marktforschungsinstitut der Schweiz. Seit 1999 gehört es zur deutschen GfK Gruppe in Nürnberg, einem der fünf grössten Marktforschungsunternehmen der Welt.
True Wealth wurde 2013 von Oliver Herren, Mitgründer der Digitec Galaxus AG, und Felix Niederer, Physiker und Portfoliomanager, gegründet. Die Online-Plattform hat sämtliche Prozesse der modernen Vermögensverwaltung konsequent automatisiert und bietet ihren Kundinnen und Kunden mit Domizil Schweiz eine kostengünstige Vermögensverwaltungslösung. Das Unternehmen verwaltet Kundenvermögen in Höhe mehr als 1.5 Milliarden Schweizer Franken, verteilt auf über 25’000 Kundenbeziehungen.
Gerne beantworten wir Ihre Presseanfragen und allgemeine Fragen zum Finanzkompetenzindex.